Auszug aus dem Text von Nikolai Vogel im Ausstellungskatalog zu FUTURE TRANCE:
“Der uns im Eingangsbereich begegnende Roboter hingegen hat beinahe
schon wieder etwas Nostalgisches. So unbeholfen. Und spiegelt dabei doch
unsere Befindlichkeit. Den Raum abtasten. Und immer wieder ähnliche
Wege einschlagen. Seine Würfelform ist nur von einem schmalen Schlitz
durchbrochen, der ihn wie in Kopf und Rumpf unterteilt, Gliedmaßen hat
er keine, Ultraschall- und Infrarotsensoren sind seine wahrnehmenden
Organe. Ist dieser Roboter, so wie das Holzpferd auf Rollen, das er so
beharrlich hinter sich herzieht, ein Spielzeug? Oder dürfen künftig nur
noch die Roboter spielen? Das, was vor wenigen Jahrzehnten noch
Science-Fiction war, ist hier längst Wirklichkeit – und verblüffend ist
dabei, wie vertraut diese uns bereits erscheint. Der Roboter in seiner
leichten Schieflage mutet beinahe menschlich an, wir bedauern ihn in
seiner Einfältigkeit, er braucht Zuspruch, wir sollten uns um ihn
kümmern – das Holzpferd wirkt dagegen fast souverän. Thomas Silberhorn
hat dieses alte Stück aus Familienbesitz nicht etwa an Kinder, sondern
an seinen Roboter weitergereicht.”
(2015) (Fotos: Ben Goossens/Thomas Silberhorn)
Flow 2
Thomas Silberhorn „Flow 2“ Text: Judith Neunhäuserer
Der Kunstkontext ist eine Umgebung, in der der Treppenlift
normalerweise nicht heimisch ist. Er war seinem Haushalt nutzlos
geworden, wurde dort nicht mehr gebraucht und man wollte ihn nicht mehr.
Beim Durchblättern des ADAC-Hefts hat ihn Thomas gefunden und dann
abgeholt. Im Fundus Silberhorn lagerte er in mehrerlei Hinsicht
zwischen: Zwischen Mietshaus und Ausstellungsraum, zwischen alter
Funktion und neuer Funktionslosigkeit und zwischen einer Menge Zeug, das
auf seine Transformation zum Kunstwerk wartet. Als sozusagen invasive
Spezies erkundet er jetzt das unbekannte Gebiet und ermittelt seine
Überlebenschance.
In der Arbeit „Flow 2“ fährt der Sitz des Treppenlifts seine Schiene im
Raum herum. Er hat sich von der vorgegebenen Bahn gelöst und bewegt sich
selbstständig. Das Gerät steuert ziellos durch den Raum, ohne Halt und
ohne Aufgabe. Der ursprünglich als Hilfsmittel gedachte und gebaute
Apparat kratzt Furchen in den Boden, ist zur Bedrohung geworden, stellt
eine Gefahr für die Menschen, Besucherinnen und Besucher der
Ausstellung, dar. Die Befreiung der Maschine von der menschlichen
Verfügungs- und Befehlsgewalt passiert auf Kosten eines unvorhersehbaren
Risikos. Die Assoziation zu Wasser holenden Besen drängt sich auf:
Gerufene Geister, die loszuwerden vielleicht schwerer ist als sie zu
beleben.
Während Thomas Silberhorn zu Zeiten seiner Studienbewerbung
Suchplakate für entlaufene Katzen malte, also verloren gegangene Sachen
noch zurückgeben wollte, betreibt er mittlerweile eine Art Auffanglager
für herrenloses Zeug, das er vor seinem Schicksal der Müllwerdung
bewahrt. Der Künstler tritt als Retter der Dinge auf. Die künstlerische
Arbeit ist dabei auch eine Art praktische Wesensschau: Zum Eigenleben
verholfene Dinge zeigen ihre Persönlichkeit und Handlungsmacht ganz
offensichtlich.
„Flow 2“ kann eine Metapher sein für das Widerstandspotential, das Dinge in sich tragen.
Der Versuch des Eindringlings, sich in der ungewohnten Umgebung zu
etablieren, scheitert aber an seiner Zweckentfremdung: So wirken die
Bewegungen trotz ihrer Gewalt bei längerer Beobachtung hilflos und die
Erkenntnis stellt sich ein, dass das Projekt der Autonomie dieser
Maschine nicht gelingen wird, weil der Lift von Energieversorgung
abhängig und an Raumgrenzen gebunden ist. Er bäumt sich auf – aber kommt
nicht aus. Evolutionsmäßig geht es bekanntermaßen um die bestmögliche
Anpassung an die jeweilige Umwelt, diese Maschine aber leistet
vielleicht gerade durch die Verweigerung der Integration passiven
Widerstand und bleibt im Kunstraum trotzig fremd.
Regenwarnsystem
„Räumen Sie sofort das Gelände, es beginnt zu regnen! Dies ist keine Übung! Ich wiederhole: Das ist keine Übung! Begeben Sie sich sofort an einen geschützten Ort! Bedecken Sie Kopf und Extremitäten! Der Regen kommt, es ist ein Ernstfall! Gehen Sie ins Innere des Gebäudes und schließen Sie Fenster und Türen!“ Diese Durchsage ertönt blechern aus mehreren Außenlautsprechern, sobald es anfängt zu regnen.
(2014)
Ein pneumatisch gesteuerter Roboterarm veschafft sich größtmöglichen Respekt durch bedrohliches Auf- und Zuklappen eines Balisong-Messers.
Geballer
(2014/17) Lampen, IR-Pistolen, Relais & Steuerung, selbst produzierte Soundeffekte
Fotos: stand by me, Galerie der Künstler, München, 2017 Video unten: Gabi’s Saloon Trilogie, foe156, München, 2014
(Video von Gabi Blum)
Hände Hoch!
(2011) Actionfilm
Fahne III
(2012) Fotos: Lou Jaworski
SAFE HOUSE
SAFE HOUSE (2011)
Nach außen hin erscheint die Installation als beliebige Galerie, die außer einer auffälligen roten Wand, einem Sofa, einer Tür und Bildern mit kleinen Bleistiftkritzeleien ( Kunst ), nichts vorzuweisen hat.
Durch die Tür tritt man in einen kargen, durch eine Glühbirne erleuchteten Raum. Der Blick fällt zunächst auf das Bild einer Katze, doch im nächsten Moment ist die Tür auch schon ins Schloss gefallen, das Licht geht aus und man steht im Dunkeln. Eine Türklinke sucht man vergebens und so bleibt nur der Weg nach vorne: durch einen schmalen Lichtspalt betritt man den inneren Teil der Installation. Hier finden sich fallenartige Gerätschaften, ausgerichtet auf Löcher in der Wand. Sie zielen durch die Leinwände auf die ahnungslosen Betrachter der Bilder, die im Vorraum zu sehen sind. Diese dienen hier nur als Köder um den Besucher in die richtige Position zu bringen um ihn mit einer der Vorrichtungen zu attackieren. Die Galerie ist nur Fassade, hinter den Bildern lauert die Gefahr!
Ein schmaler Gang führt zu einem Kasten, aus dem ein Blatt Papier auf einen Haufen mit Fotoausdrucken fällt. Auf dem Blatt ist man selbst abgebildet, nicht feststellbar in welchem Moment und an welcher Stelle das Foto aufgenommen wurde.
Folgt man dem schmalen Gang weiter, kommt man zum Ausgang oder findet einen weiteren halb versteckten Raum. Man biegt um eine Ecke und wird von einer gefährlich aussehenden Apparatur anvisiert. Es ist eine Art Selbstschußanlage, dessen Lauf den Bewegungen des Gegenübers folgt. Traut man sich an dieser Maschine vorbei, so gelangt man in einen kleineren Raum mit Monitoren und Rechnern, eine Art Schalt- und Überwachungszentrale.
achso
Die Arbeit ist ein Leuchtkasten im erweiterten Sinn. Sensoren und ein plötzlich ausgelöster Blitz sorgen dafür, dass dem Nähertretenden durch die Bildfläche hindurch unvermutet ein blendend greller Schriftzug entgegengeschleudert wird: man reibt sich die Augen – und bemerkt, dass die Lichtattacke durch ihren starken Hell-Dunkel-Kontrast den lakonischen Ausruf „ach so“ als Nachbild auf der Netzhaut hinterlassen hat.