Thomas Silberhorn „Flow 2“
Text: Judith Neunhäuserer

Der Kunstkontext ist eine Umgebung, in der der Treppenlift normalerweise nicht heimisch ist. Er war seinem Haushalt nutzlos geworden, wurde dort nicht mehr gebraucht und man wollte ihn nicht mehr. Beim Durchblättern des ADAC-Hefts hat ihn Thomas gefunden und dann abgeholt. Im Fundus Silberhorn lagerte er in mehrerlei Hinsicht zwischen: Zwischen Mietshaus und Ausstellungsraum, zwischen alter Funktion und neuer Funktionslosigkeit und zwischen einer Menge Zeug, das auf seine Transformation zum Kunstwerk wartet. Als sozusagen invasive Spezies erkundet er jetzt das unbekannte Gebiet und ermittelt seine Überlebenschance.
In der Arbeit „Flow 2“ fährt der Sitz des Treppenlifts seine Schiene im Raum herum. Er hat sich von der vorgegebenen Bahn gelöst und bewegt sich selbstständig. Das Gerät steuert ziellos durch den Raum, ohne Halt und ohne Aufgabe. Der ursprünglich als Hilfsmittel gedachte und gebaute Apparat kratzt Furchen in den Boden, ist zur Bedrohung geworden, stellt eine Gefahr für die Menschen, Besucherinnen und Besucher der Ausstellung, dar. Die Befreiung der Maschine von der menschlichen Verfügungs- und Befehlsgewalt passiert auf Kosten eines unvorhersehbaren Risikos. Die Assoziation zu Wasser holenden Besen drängt sich auf: Gerufene Geister, die loszuwerden vielleicht schwerer ist als sie zu beleben.

Während Thomas Silberhorn zu Zeiten seiner Studienbewerbung Suchplakate für entlaufene Katzen malte, also verloren gegangene Sachen noch zurückgeben wollte, betreibt er mittlerweile eine Art Auffanglager für herrenloses Zeug, das er vor seinem Schicksal der Müllwerdung bewahrt. Der Künstler tritt als Retter der Dinge auf. Die künstlerische Arbeit ist dabei auch eine Art praktische Wesensschau: Zum Eigenleben verholfene Dinge zeigen ihre Persönlichkeit und Handlungsmacht ganz offensichtlich.

„Flow 2“ kann eine Metapher sein für das Widerstandspotential, das Dinge in sich tragen.
Der Versuch des Eindringlings, sich in der ungewohnten Umgebung zu etablieren, scheitert aber an seiner Zweckentfremdung: So wirken die Bewegungen trotz ihrer Gewalt bei längerer Beobachtung hilflos und die Erkenntnis stellt sich ein, dass das Projekt der Autonomie dieser Maschine nicht gelingen wird, weil der Lift von Energieversorgung abhängig und an Raumgrenzen gebunden ist. Er bäumt sich auf – aber kommt nicht aus. Evolutionsmäßig geht es bekanntermaßen um die bestmögliche Anpassung an die jeweilige Umwelt, diese Maschine aber leistet vielleicht gerade durch die Verweigerung der Integration passiven Widerstand und bleibt im Kunstraum trotzig fremd.